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Der RV Thalheim trauert um Bernd Drechsel (22.01.17)

Nachruf

Der Ringerverein Thalheim trauert um Bernd Drechsel. Am 21. Januar 2017 starb unser Ehrenmitglied im Alter von 63 Jahren nach schwerer Krankheit. Ein Nachruf vom 1. Vorsitzenden des RV Thalheim, Holger Hähnel.

 
"Für Fußball zu klein und leicht, kam Drechsel zum Ringen." So beginnt das Kurzportrait von Bernd Drechsel im Buch "Hundert Jahre Ringen in Deutschland" von Karl Adolf Scherer. Drechsel war ein Talent des bis heute unvergessenen Thalheimer Trainers Wolfgang Bohne, das innerhalb von nur drei Jahren nach Beginn mit dem Ringkampfsport an die Weltspitze kletterte.

Bernd Drechsel wurde am 28. Oktober 1953 im damaligen Karl-Marx-Stadt geboren. Mit erst 14 Jahren begann er das Üben der Techniken und Griffe im Ringertraining relativ spät. Wie es dazu kam, ist ebenfalls einige Wort wert. Mit Wolfgang Hahn, der damals schon die DDR-Spartakiade gewonnen hatte, war der Thalheimer zusammen in einer Clique. Der immer nur "Mops" Gerufene besiegte dort seinen Nachbarn Hahn beim "Kämpeln" und war nun motiviert, zu den offiziellen Übungseinheiten bei Wolfgang Bohne zu kommen.

Es folgte eine wahnsinnig schnelle Entwicklung, wobei Bernd Drechsel im Training sowohl Talent als auch Ehrgeiz an den Tag legte. Vom Zella-Mehliser Vorsitzenden Reckel wurde er bei der DDR-Spartakiade 1970 in Berlin entdeckt. Noch im gleichen Jahr absolvierte er seine ersten Trainingseinheiten und Schulstunden an der Kinder- und Jugendsportschule (KJS) im Thüringischen, das nun seine neue Heimat werden sollte.

tl_files/rvt/images/Sonstiges/helpjpg/2017/Bernd_Drechsel_ca_1974.jpgAls 17-Jähriger war Bernd Drechsel der Sensationsringer der DDR-Mannschaft bei den Männer-Weltmeisterschaften in Sofia. In seinem ersten großen internationalen Turnier schaffte er dort Platz vier. Schon im Jahr 1972 war es dann soweit: Zum ersten Mal ging ein Thalheimer Schwerathlet bei den Olympischen Spielen an den Start. Mit Platz sieben erzielte der erst 18-jährige Bernd Drechsel ein höchst achtbares Ergebnis. Zuvor hatte er sich jedoch – gezwungen von den Sportfunktionären der DDR – den Schnurrbart abrasieren müssen, um ringen zu dürfen.

Fragte man den Thalheimer nach den für ihn bedeutendsten Erfolgen seiner Karriere, so nannte er die Siege beim Großen Preis der Bundesrepublik 1974 in Bad Reichenhall und 1978 in Aschaffenburg, da er damals die komplette Weltelite schlug. Die einzige Medaille bei Europa- und Weltmeisterschaften sowie Olympischen Spielen stammt aus dem Jahr 1975, als Drechsel zur EM in Ludwigshafen Bronze holte.

Sechsmal war Bernd Drechsel unter den ersten Zehn bei der Europameisterschaft und viermal bei der Weltmeisterschaft. Zweimal gewann er das internationale Werner-Seelenbinder-Turnier sowie den Major- und den Klippan-Cup in Schweden. Insgesamt war er für den SC Motor Zella-Mehlis zwischen 1971 und 79 siebenmal DDR-Meister der Männer und holte den Titel zweimal im Jugend- bzw. Juniorenbereich.

tl_files/rvt/images/Sonstiges/helpjpg/2017/170121_Ehrenmitglied_Mops_2014_small.jpgAusgezeichnet wurde Bernd Drechsel für all diese großen Leistungen mit der Ehrenbürgerschaft der Stadt Thalheim und der Ehrenmitgliedschaft im Ringerverein Thalheim, die ihm anlässlich der 100-Jahr-Feier im Mai 2004 verliehen wurde.

1979 war für Bernd Drechsel ein schwarzes Jahr. Sein sieben Jahr jüngerer Bruder Frank, der nach Meinung vieler das noch größere Ringertalent besaß und mit einem 1. Platz von den Jugendwettkämpfen der Freundschaft (JWdF) aus Kuba zurückgekehrt war, verunglückte wenige Tage nach dem Erfolg bei einem Motorradunfall tödlich.

Für Bernd Drechsel selbst kam noch hinzu, dass er, mit 26 Jahren im besten Ringeralter, vom Hochleistungssport Abschied nehmen musste. In der damaligen Sportpolitik galten Plätze ab Rang vier nicht mehr viel. Nachdem er sich mit einem unglücklichen siebenten Platz zu den Europameisterschaften in Bukarest nicht für die WM qualifizieren konnte, musste Drechsel jüngeren Ringern weichen. Die Funktionäre des Deutschen Ringer-Verbands der DDR (DRV) ließen ihn fortan für einige Jahre nicht mehr an den DDR-Meisterschaften teilnehmen, obwohl er der Beste des Landes war. Damit schien das Ende der Karriere besiegelt.

Dennoch rang der Erzgebirger danach lange bei der BSG Motor Albrechts in der Oberliga und holte fünf DDR-Mannschaftsmeistertitel. Nach dem erfolgreichen Diplom an der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) in Leipzig arbeitete er in Zella-Mehlis und Albrechts als Trainer.

Mit 37 Jahren kämpfte Bernd Drechsel – nicht zuletzt wegen der Probleme, nach der Wende als Trainer berufstätig zu sein – noch einmal zwei Jahre im bayerischen Berchtesgaden in der 2. Bundesliga. Mittels einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) konnte er danach wieder in Albrechts, seiner Wahlheimat, als Trainer im Kinder- und Jugendbereich Fuß fassen. Zudem bildete er sich zum Schiedsrichter weiter und hatte in dieser Funktion deutschlandweit viele Einsätze.

1997 hatte es mit dem SV Jugendkraft Albrechts zum ersten Mal ein ostdeutscher Verein nach der Wende geschafft, die Deutschen Meisterschaften austragen zu dürfen. Drechsel war in Suhl als Organisationsleiter maßgeblich an der Vorbereitung und Durchführung dieses Turniers beteiligt.

Der Ringerverein Thalheim trauert um sein Ehrenmitglied gemeinsam mit den Angehörigen und Bernds Ringerfreunden in Thüringen und ganz Deutschland. Seine großen Erfolge waren und sind dem heutigen Nachwuchs immer Ansporn und vermitteln den Ehrgeiz, den der Thalheimer in seiner sportlichen Laufbahn stets hatte.

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