"Ringen - doch gar
nicht so schlimm"
Ringer besserten in Aue vor
Sportmedizinern aus ganz Deutschland ihr Image auf
Aue. "Ringkampf, um
Gottes Willen, da verbiegen sie dir doch die Knochen!" So mag manches
Elternteil erschrocken reagieren, wenn die Kids mit dem Ansinnen nach
Hause kommen, der wohl ältesten Sportart der Welt nachzugehen. Ähnlich dürften
auch viele Ärzte reagieren, wenn sich ihre Patienten als Ringkämpfer
outen. Die Ringer des FC Erzgebirge Aue hatten am vergangenen Wochenende
die Möglichkeit, ihre Sportart in ein besseres Licht zu rücken und
derartige Vorurteile abzubauen, denn der Ringkampfsport war Bestandteil
der "Silberberg Sportmedizintage" des Helios-Klinikums Aue.
Etwas unsicher befühlten
einige der 25 Teilnehmer des Praxisteils die Ringerohren von Björn Schöniger,
der seit vielen Jahren die Ringerschuhe für den FC Erzgebirge Aue schnürt.
"Das Ringerohr ist die Folge eines Blutergusses am Ohrknorpel, direkt
unter der Knorpelhaut", erklärt Karsten vom Scheidt, der als betreuender
Ringerarzt beim RV Thalheim fungiert und nach langer aktiver Laufbahn auf der
Ringermatte
selbst über derartige "Prunkstücke" verfügt, die einen Ringer als
solchen kenntlich machen.
Doch die Ringerohren allein waren
es nicht, die die insgesamt 45 Sportmediziner aus ganz Deutschland im
Lößnitztal zusammenführte. Gemeinsam mit der Deutschen Akademie für Angewandte Sportmedizin (DAASM)
wurden Kenntnisse über Sportarten, Leistungsdiagnostik sowie
Sportverletzungen vermittelt. "Normalerweise treten neben vielen
anerkannten Dozenten die hiesigen Fußballer und Handballer aus Aue an,
um den Praxisteil der Weiterbildung zu füllen, doch diesmal griffen wir
auch auf die Ringer zurück", war der Chefarzt des Helios-Klinikums Aue,
Dr. Ehrhardt Weiß, nach dem Besuch eines Zweitligakampf der Ringer von der
Idee begeistert, Kampfsport in die Weiterbildung der Sportmediziner
aufzunehmen. "Und das mit vollem Erfolg", zeigte sich Weiß mehr als
zufrieden mit dem Engagement der Kampfsportler, rings um Abteilungsleiter
Sören Ullrich.
Da scheute sich der Chefarzt auch nicht, selbst am
Praxisteil der Ringer teilzunehmen und sich vom Können der Mattenfüchse
am eigenen Leib zu überzeugen. Auch wenn dies mit Sicherheit in einen
schweren Muskelkater mündete. Doch die Ringer-Dozenten Frank Vieweg
(Ringkampf allgemein), Dr. Sven Nagel (Doping im Sport), Dr. Karsten vom Scheidt
(Sportverletzungen im Ringen) sowie Andy Friedemann (Kampfrichterwesen im
Ringen) bauten Brücken, Vorurteile wurden weggespült und die "Vorringer", die manche, für einen Außenstehenden halsbrecherisch
anmutende Übung zeigten, erklärten ihr Können als Ergebnis eines
jahrelangen Trainingsprozesses.
"Ich hatte noch nie Berührungen
mit dieser Sportart", so Dr. Pio Faust aus dem Helios-Seehospital
Sahlenburg bei Cuxhaven. "Ich hatte allerdings auch keine
Vorurteile sondern sah den Ringkampfsport als elegante und technikbetonte
Sportart und diese Veranstaltung unterstrich meine Meinung", so der Anästhesist
aus dem Orthopädischen Fachkrankenhaus weiter. "Die Dozenten brachten
ihre Ausführungen interessant rüber und selbst bei Themen wie Doping und
Verletzungshäufigkeit rückten sie einige Relationen bei mir zurecht,
denn dort steht Ringen am hinteren Ende der langen Sportartenliste",
sprach der Cuxhavener von einem hohen Lehrwert, der vermittelt wurde. Den
Termin für die 4. Silberberg Sportmedizinertage 2010 hat sich Dr. Pio
Faust auch schon notiert. Physiotherapeut Matthias Pausch (Aue), der in
seiner Jugendzeit einmal etwas mit dem Ringen zu tun hatte, begrub einige
Vorurteile gegenüber dem Ringkampf. "Die Darbietungen der Ringer bis hin
zu den Vorträgen über Doping und das Kampfrichterwesen waren interessant", so der Physiotherapeut begeistert.

Vorurteile abgebaut! Viele Sportmediziner und Physiotherapeuten freundeten sich am Wochenende bei den Silberberg Sportmedizinertagen mit dem Ringkampfsport an.
"Das war auch unser
Ansinnen, wir wollten Vorurteile abbauen, Brücken zur Sportmedizin
schlagen", so Mitorganisator Wolfgang Norman (FC Erzgebirge Aue),
der das Treiben der Sportmediziner und Physiotherapeuten vom Mattenrand
aus beobachtete. Nach den einleitenden Worten der Dozenten ging es zu
einer Trainingsrunde auf die Matte. Bundesligatrainer Lienhard Patzak
vermittelte einen Einblick in eine Trainingseinheit der Mattenfüchse, die
in der 2. Bundesliga Nord um Punkte kämpfen. Die Nichtaktiven überwanden
schnell ihre Scheu und hatten sichtlich Spaß am ureigenen Drang - vor
allem der Männer -, sich im Kampf Mann gegen Mann zu beweisen. Natürlich
ging man entsprechend vorsichtig zu Werke, denn kurz vorher hatte man die
Dozenten Frank Vieweg und Karsten vom Scheid noch reden hören, dass dem
Ringkampf jahrelanges Training voraus geht. Nur so ist es zu erklären,
dass diese Sportart trotz aller Härte am Ende der Liste bei Verletzungshäufigkeiten
liegt.
"Wir sind zwar mehr oder
weniger durch Zufall auf den Ringkampfsport gestoßen, doch die
Zusammenarbeit hat Spaß gemacht und wird mit großer Sicherheit
fortgesetzt", waren sich Chefarzt Dr. Weiß, sowie Oberarzt Thomas Seltmann
einig, die nun selbst einen einen neuen Eindruck von der Kampfsportart
Ringen bekamen und diesen in Zukunft wohl auch vermitteln werden.
Jörg Richter, 11.05.09
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