Weltmeisterschaften Frauen in Belgrad (14.09.22)
WM-Teilnahme ist Erfolg von historischem Ausmaß
Lilly Schneider nimmt heute als erste Thalheimer Ringerin überhaupt an einer Weltmeisterschaft der Frauen teil. Dabei kam die Nominierung für das Turnier in Belgrad durchaus überraschend.
BELRAD/THALHEIM - Es war der 14. August dieses Jahres, als Lilly Schneider einen Anruf erhielt. Am Telefon war kein Geringerer als der Frauen-Nationaltrainer Patrick Loës, der der Sportlerin vom RV Thalheim mitteilte, dass er sie für die Weltmeisterschaften im September nachnominieren möchte. „Ich hatte nie im Leben damit gerechnet und hab‘ mich extrem darüber gefreut“, erzählt Lilly. Heute ab 10:30 Uhr ist es nun soweit und die 20-Jährige wird in Belgrad im Limit bis 72 Kilogramm auf die Matten treten.
Austragungsort ist die Štark-Arena in der serbischen Hauptstadt, mit über 18000 Zuschauerplätzen die fünftgrößte Mehrzweckhalle Europas. „Wir sind jetzt schon seit Sonntag hier, trainieren, machen Gewicht und feuern unsere Teamkollegen an. Es ist ein absolut krasses Gefühl in dieser riesigen Halle“, berichtet Schneider. In den letzten Tagen liefen bereits die Duelle im griechisch-römischen Stil der Männer sowie einige Gewichtsklassen bei den Frauen. Stand Dienstagmittag hatte das deutsche Team noch keine Medaille geholt.Doch wie kam es überhaupt zu der überraschenden Nominierung der Erzgebirgern? Bei den letzten Deutschen Meisterschaften der Frauen Ende Mai im Saarland war Lilly Schneider noch klar der Unterföhringerin Anna Schell unterlegen. Die galt auch lange Zeit als gesetzt für die internationalen Aufgaben im 72-kg-Limit, schließlich wurde sie bereits WM-Dritte 2019 und 2021 sowie in diesem Jahr Europameisterin. Auf der Webseite des Deutschen Ringer-Bundes liest man in einem aktuellen Interview mit dem Bundestrainer lediglich die lapidare Begründung, dass Schell aus persönlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung stehe.
Doch auch Lilly Schneider hat ihren erheblichen Anteil dazu beigetragen, dass sie heute in Belgrad auf die große Bühne darf. Vor allem ihr Auftritt beim internationalen Turnier in Bukarest Ende Juli überzeugte. „Sie hat dort Silber geholt und nur knapp mit 1:3 gegen die amtierenden U23-Vizeweltmeisterin verloren. Das war ein Achtungszeichen“, erzählt Sachsens Landestrainer Florian Rau. Auch der Ehrgeiz der jungen Thalheimerin fiel sicher dem Bundestrainer auf. „Lilly sagt immer wieder, dass es ihr großes Ziel ist, einmal bei Olympia dabei zu sein – und das merkt man“, schildert Heimtrainer Steffen Richter seine Eindrücke.
Im Frauen-Nationalteam ist Lilly Schneider nun ganz frisch dabei und quasi das „Küken“, denn alle anderen Ringerinnen sind mindestens drei Jahre älter. Eine Unbekannte ist sie sicher nicht, denn im letzten Jahr wurde sie Vizeweltmeisterin bei den Juniorinnen. „Ich bin wirklich super aufgenommen worden und werde von allen unterstützt“, freut sich die Drei-Tannen-Städterin. Die Vorbereitung in den letzten Wochen war noch einmal richtig hart. „Das ist schon etwas anderes als bei den Junioren“, so Schneider. Im nordrhein-westfälischen Hennef wurde zwölf Tage lang in schweißtreibenden Einheiten, an Kraft, Technik und Taktik für die WM gefeilt. Dann ging es letzte Woche noch einmal an den Stützpunkt nach Freiburg.
Ihre Chancen bei dem hochkarätigen Turnier schätzt Lilly Schneider realistisch ein: „Ich mache mir keinen Druck und schaue, was möglich ist, schließlich ist es meine erste Frauen-WM.“ Dabei kann man die Nominierung allein schon als Erfolg von historischem Ausmaß sehen. Dies gelang ihr als erste Thalheimerin überhaupt. Sogar bei den Männern ist sehr lang her, dass ein Zwönitztaler zum letzten Mal auf WM-Matten durfte. Hier findet man in den Annalen den 2017 gestorbenen Bernd „Mops“ Drechsel, der 1975 in Minsk Neunter geworden war.
Ein kleiner Wermutstropfen bleibt. „Leider kann niemand von meiner Familie oder vom Verein dabei sein“, so Schneider. Auch ihr Stützpunkttrainer Florian Rau muss in Leipzig bleiben. Doch das dürfte den Ehrgeiz von Lilly Schneider nicht stoppen. Das Beste geben will sie auf jeden Fall.
Holger Hähnel, 13.09.2022.