background
Beitrag anlässlich „120 Jahre Ringen in Thalheim“ (04.06.24)

Über ein halbes Jahrhundert für das Ringen


Seit 120 Jahren hat die Sportart eine Heimat in Thalheim. Die Hälfte dieser Zeit hat Eckhard Hähnel miterlebt, zuerst auf, danach neben der Matte. Dabei stellten sich nicht nur Erfolge ein – auch manche Episode weiß der 69-Jährige zu berichten.

von Jürgen Werner („Freie Presse“)

Thalheim - Wenn eine Sportart mehr als ein Jahrhundert lang an einem Ort praktiziert wird, dann kommt da schon einiges an Trophäen zusammen. Dicht aneinander schmiegen sich Pokale aller Größen und Formen in den offenen Regalen in der kleinen Ausstellung im Sportlerheim an der Stollberger Straße, flankiert von zahlreichen Urkunden und Medaillen. Und mittendrin steht einer, der beinahe selbst zum Inventar gehört. Von den 120 Jahren, die in Thalheim mittlerweile auf der Matte gerungen wird, hat Eckhard Hähnel etwa die Hälfte selbst miterlebt. „Die Älteren leben entweder nicht mehr oder nicht hier in der Region“, sagt der 69-Jährige, der am Samstag natürlich auch nicht die Party zum Geburtstag versäumte.

Es ist das klassische Muster: Ein Freund nimmt einen anderen Freund das erste Mal mit in einen Sportverein. Der Initiator hält nicht lange durch, der andere bleibt. Vielleicht ein Leben lang. Bei Eckhard Hähnel hat sich das genauso abgespielt. 1962 war das, der Ur-Thalheimer war damals acht Jahre alt. Doch bevor er seinen ersten Wettkampf bestreiten durfte, verging noch Zeit. „Wettkämpfe waren erst ab zehn erlaubt, also habe ich zwei Jahre lang nur trainiert“, erinnert er sich. Als es dann endlich soweit war, folgte schnell die Ernüchterung. „Am Anfang habe ich nur verloren, meine Gegner waren alle zwei, drei Jahre älter.“

Mit der Zeit etablierte sich Eckhard Hähnel aber. Kein leichtes Unterfangen. „Damals gab es jeden Monat ein Bezirksturnier. Mit einer Konkurrenz, die man sich heute nicht mehr vorstellen kann.“ Einmal seien allein in seiner damaligen Gewichtsklasse bis 39 Kilogramm 35 Ringer angetreten. Was die eigenen Erfolge angeht, gibt sich der Thalheimer bescheiden. „Es gab Bessere als mich.“ Dennoch wurde Hähnel, der als Erwachsener zumeist ein Wettkampfgewicht von um die 75 Kilo auf die Waage brachte, mehrfach Bezirksmeister. Zweimal, nämlich 1968 als 14-Jähriger und noch einmal 1972 durfte er zum Finale der Spartakiade nach Berlin fahren, was ihn noch heute ein bisschen stolz macht. „Denn dort durfte aus jedem Bezirk nur einer hin.“ Bei seiner zweiten Teilnahme erreichte er das kleine Finale, wurde am Ende Vierter.

Die Zeiten als Betriebssportgemeinschaft – aus der BSG Fortschritt wurde 1986 die BSG Esda Thalheim – beurteilt Eckhard Hähnel, der im selben Jahr seine Laufbahn auf der Matte beendete und danach Mannschaftsleiter wurde, heute zwiespältig. Positiv sei das Binnenklima gewesen. „Alles war auf Freundschaft aufgebaut.“ Weniger gut habe es um die Finanzen gestanden. „Mit einem Jahresetat von 4500 DDR-Mark konnte man einfach keine großen Sprünge machen, auch wenn zumindest die Trainerstellen bezahlt wurden.“ Zudem habe man talentierte Sportler regelmäßig an die Ringerzentren, zum Beispiel nach Zella-Mehlis, delegieren müssen – ein permanenter Aderlass.

An eine Episode erinnert sich Hähnel noch ganz besonders. Bei einem Ligakampf sollte mit Maik Martin ein Sportler unbedingt mitringen, der zu dieser Zeit aber gerade bei der Armee war und deshalb nicht zur Verfügung stand. „Also sind wir mit einem Koffer voller Esda-Strumpfhosen nach Mühlhausen gefahren, ein Präsent für den Kompaniechef. Und plötzlich durfte Maik auf die Matte.“

Auch mit fast 70 ist Eckhard Hähnel dem Thalheimer Ringen noch eng verbunden. Eine offizielle Funktion im RV Thalheim – der Verein gründete sich 2001, zuvor gehörten die Ringer zum SV Tanne – hat er nicht, dafür kümmert er sich im Hintergrund um alles, was anfällt, mit. Der Verein sei gut aufgestellt, gerade die Mädchen und jungen Frauen seien auch im internationalen Maßstab absolute Leistungsträgerinnen. Und bei den Kämpfen in der Regionalliga, der aktuellen sportlichen Heimat, sei das Sportlerheim fast immer voll. Nur eine Sache stört ihn. „Das Ringen könnte noch attraktiver sein, wenn nicht immer wieder fast jährlich Regeln geändert würden.“ Beim Fußball sei gerade dieser weitgehende Verzicht ein Erfolgsgeheimnis, so Hähnel, der sich auch selber fit hält. Natürlich nicht auf der Matte. „Erst bin ich viel gelaufen, aber mittlerweile aufs Fahrrad umgestiegen.“

Jürgen Werner („Freie Presse“), 04.06.24.

Zurück